Gedanken zum Buch "Tante Fines Geheimnis“ von Inge Nedwed
Ich halte Inge Nedweds fünftes Buch in der Hand. Sie hat es für Kinder geschrieben, Lesealter ungefähr zehn Jahre. So alt sind die beiden Hauptpersonen Steffi und Basti. Worum geht es?
Steffi lebt in der Stadt. Ihre Eltern sind berufstätig. Die Mutter ist Ärztin, der Vater Lokführer. In den Sommerferien bekommen sie keinen Urlaub. Also muss Steffi zu Tante Fine und Onkel Franz aufs Dorf, damit sie nicht zu viel allein ist. Schon Mutter Katrin hatte dort ihre Ferien verbracht. Doch Steffi hat keine Lust und keine Vorstellung vom Leben auf dem Land. Ob es da total langweilig wird?
Ihre Vermutungen und Befürchtungen scheinen sich in den ersten Tagen zu bestätigen. Onkel Franz entpuppt sich als grummeliger Kleinbauer, der nicht einmal seine Hündin mit ihren drei Welpen füttern will. Das entsetzt Steffi, sie sorgt sich sehr um die Tiere. Das gibt ihr Trost.
Tante Fine wirkt auf das Mädchen rückständig und einfältig, komisch eben.
Doch dann lernt sie Basti kennen. Er ist so alt wie sie und lebt in dem Dorf.
Da prallen zwei Welten aufeinander. Das kann Missverständnisse geben. Der Kontrast vom Stadt- zum Landleben, die Lebensumstände, die sozialen und finanziellen Verhältnisse und der Gegensatz Junge-Mädchen werden so spannend aufgebaut und plausibel hintergründig beleuchtet, dass nicht nur Steffi, sondern auch ich als Leserin zu neuen und aufmerksamen Eindrücken und Erkenntnissen geführt werde. Und das, ohne belehrt zu werden.
Der Junge und das Mädchen müssen einen gemeinsamen Nenner finden, wenn sie es miteinander aushalten wollen. Aber ob dies gelingt? Detailgenau, einfühlsam und realistisch nachvollziehbar wird auf die Erlebnis- und Gefühlswelt Zehnjähriger eingegangen. Beide Charaktere sind so aufgebaut, dass ich spüre und hoffe: Werden beide echte und tiefe Freundschaft schließen? Kann diese tragfähig auf längere Sicht wirken? Übersteht sie Konflikte?
Bis zum Ende hin habe ich gerätselt, worin das Geheimnis von Tante Fine besteht. Wie im Krimi habe ich mich gefühlt. Das ist das Ergebnis der flüssigen, dynamischen und detailgetreuen Schreibkunst der Autorin Inge Nedwed. Das Geheimnis verrate ich nicht.
Die Illustratorin, die Malerin Rieke Schmieder, gibt in ihren Zeichnungen den handelnden literarischen Figuren nicht nur ein Gesicht, sondern ich stelle mir die Handlung vor, als würde ich den Film dazu sehen.
Vorrangig in grün, orange, blau, rot und hellgelb, teilweise in Pastelltönen treiben sie sympathisch die Handlung voran und unterstreichen die beschriebenen Ereignisse und Charaktere. Die Zeichnungen sind klar gegenständlich. Sie ergänzen die Handlung nicht einfach nur, sondern fügen sich reißverschlussartig ein.
Texte und Bilder haben mir so viel Spaß gemacht, dass ich das Buch dreimal (!) gelesen habe. Ich bin angeregt worden, selbst eine längere Kindergeschichte zu verfassen.
Das Buch eignet sich zum Vorlesen für jüngere Schulkinder, da die Kapitel kindgerecht der Auffassungsgabe angemessen und einzeln im Inhaltsverzeichnis angegeben sind.
Ich möchte das Buch für meine Enkelin zum 8. Geburtstag kaufen.
Ich freue mich schon auf einen gemütlichen Vorleseabend im Winter mit ihr.
Annegret Winkel, Halle (Saale)
Das Buch erschien unter ISBN 978-3-942401-74-6