Auf ein Wiederlesen!
Woher kommen wir und was bleibt? Etwas bleibt. Wenn wir den Kindern was abgeben, weitergeben rechtzeitig vom Frieden, von unserer Phantasie, unserem Verstand. Suche nach Weite, Begrenzungen. Die Schriftstellerin Dorothea Iser zeigt in ihrem Werk "flussfarben", dass alles in Bewegung ist, sich vermischt, vorwärts drängt, sich treiben lässt innerhalb vorgegebener Ein- und Ausblicke.
Es ist schon ein besonderes intellektuelles Lesevergnügen, sich wieder einmal von einem "richtigen" Buch mit vielen tollen Ideen und überraschenden Wendungen einfangen zu lassen.
Ich kann mir das Buch "flussfarben" an mein Herz drücken. Das ist schön. Dieser Gedanke erwärmt die Poesie zusätzlich. Jahreszeiten, Flüsse, alles fließt, du und ich und unser Tag. Wir haben Sprache, Worte. Was wir daraus machen, liegt in unserer Hand. Diese sollten wir mit Wohlvergnügen im Fluss halten, der uns umströmt.
Flussfarben treiben den Leser noch um, wenn er dieses Buch mit leisem wissenden Lächeln beiseite gelegt.
Es ist ein "Lebenswerk" (Seite 73) und zwischen Zeilen spricht wohl auch die Brigitte Reimann aus Seiten. Bis goldene Kälber schmelzen.
Wo Dichter zu Hause sind, ist oft einem Zufall geschuldet. Auch an einem Fluss wie der Elbe zu wohnen. Und dann kommt Dorothea auf die Idee, Flussfarben zu besingen. Dazu hat sie sich eine bildende Künstlerin aus selbem Heimatort, Kristine Ahrend dazu geladen. Es ist eine vergnügliche ernsthafte Arbeitssymbiose aus Worten und Bildern geworden.
Günter Hartmann
Textauszug:
europa
dezember 2023
musik für die augen
und süßer duft
auf all meinen wegen
liegt in der luft
die hoffnung auf frieden
im kriegsgeschrei
jeder will siegen
es sind dabei
die alten strategen
die grünen väter
die profiteure
volksvertreter
vom himmel hoch fällt
ein glockenklang
sirenen künden
vom untergang
im opernhaus feiert
unterdessen
wer auf sich hält
sein vergessen
märzfarben
das winterbraun durchblühen gelbe sterne
glockenweiß und zierlich blau
rollt sich der frühlingsteppich durch die gärten
nur die nächte klammern noch am grau
und erwachen jeden morgen wieder
bleich und kalt im neuen tag
bis die sonne in die schatten wandert
wo eben noch der winter lag
in seide kleidet sich der mittagshimmel
voller lust wie nie gekonnt
schenkt der abend violette tücher
der liebsten hinterm horizont
farben fließen
auf dem fluss schwimmt der himmel
seine farben fallen aus wolken
zwischen morgengrau und abendrot
färbt er sein wasser stimmungsvoll
wind mischt die farben
die zeit atmet ruhig
wie schnell der fluss auch fließt
den himmel treibt es nicht fort
halten lässt er sich nicht
vergeblich der versuch
ihn herauszufischen
meine hand trocknet in der sonne
Magie
Der Herbst erinnert uns an goldene Zeiten. Selbst Nebel und Sturm verzehren nicht unser Bild vom Glücklichsein. Wir haben geweint und gleich wieder gelacht, haben uns gefürchtet und uns doch getraut.
Herbstfarben fallen vom Himmel bis in alle Falten. Der Tag atmet silberne Fäden.
Weißt du noch, meint das Kastanienbraun und lächelt uns in die Kinderzeit, malt uns Bilder vom Glücklichsein.
Glücklich könnten wir gewesen sein, damals, als das Haar noch weich war und die Haut so wunderbar empfindsam, als der Tag voller Wunder kam, wir uns in bunten Seifenblasen hüllten, um in den Wind zu steigen.