Annabelle liegt auf dem Bett, träumt von Wolkenschiffen, die über den Himmel davonsegeln.
Licht fällt auf die geblümte Wand. Sie erkennt unter der Tapete die Umrisse eines Rechtecks. Licht und Schatten gaukeln oft etwas vor, das weiß sie. Ihr Blick tastet forschend die Wand ab. Sie springt vom Bett auf, befühlt die Seidentapete. Erschrocken zieht sie die Hand zurück. Unerwartet stößt sie an einen winzigen Knopf. Bei genauem Hinsehen kann man ihn entdecken. Vorsichtig zieht sie an ihm. Leicht öffnet sich eine Tapetentür. Sonnenstrahlen brechen sich in einem großen Ankleidespiegel, blenden wie Blitze. Sie kneift die Augen zu, blinzelt in den Raum.
Textauszug:
Annabelle hatte gehört, was Mutter zu Vater sagte: "Das Kind macht mir Angst. Ich habe es beobachtet, es war allein, saß im Gras, träumte vor sich hin. Die Sonne spielte mit ihrem Haar, bis es knisterte und Funken sprühte. Erschrocken fürchtete ich, Annabelle fängt Feuer."
"Frau, was redest du da?", wurde Vater ärgerlich. "Es gibt für alles Erklärungen. Deine Sinnestäuschung eignet sich für Geschichten, die auch meine Großmutter erzählte. In ihrem Erzählen konnte es nicht märchenhaft genug zugehen." Er lächelte. "Sie sprach von Kindern, die Sonnenglut im Haar trugen. Die galten als unantastbar, weil sie der Sonne geweiht waren. Fiel die Ernte gut aus, wurden sie gehätschelt. Bei Missernten stieß man sie in die Nacht. Sie verirrten sich, wurden von wilden Tieren gefressen."
Vater rückte nachdenklich an seiner Brille. "Wenn der Feuerball untergeht, übernehmen dunkle Kräfte die Macht, so hat es Großmutter erzählt. Sie vermutete, dass es etwas in der Vergangenheit gibt, das auf seine Gelegenheit wartet." Eindringlich sah Bernhard seine Frau an. "Wir müssen dafür sorgen, dass Annabelle mit Anbruch der Nacht zu Hause ist."